31. Oktober 2016

Heimat ist kein Ort… Home is not a place…

Gestern ging unser Bibeldialog zum Thema Exil und Reich Gottes zu Ende. Wie immer waren es wohl die persönlichen Begegnungen, die diese Tagung zu etwas besonderem gemacht haben; nicht zuletzt die Frauen aus Bosnien, deren konkrete Exilerfahrungen während des Bosnienkriegs es vielleicht schwerer machten, unsere ganz privaten Momente der Entfremdung noch als eine andere Art des Exils zu verstehen. Da half es, dass wir mit der Einführung in die gewaltfreie Kommunikation lernen konnten, dass die Bedürfnisse eigentlich bei allen Menschen gleich sind, nur manchmal die Prioritäten nicht und vor allem unsere Strategien, sie zu befriedigen. Frieden ist ein solches Bedürfnis, aber neben Essen, Obdach, Kleidung eben auch Feiern und Lachen. Sich das ins Bewusstsein zu rufen lässt Verständnis wachsen und Empathie für das gegenüber. Die Bibelarbeiten ließen uns auch nachdenklich werden. Ging Jesus über die Grenze, also quasi ins Exil, um für einen Moment den Erwartungen an ihn, den Wunderheiler, zu entkommen, zu sich selbst zu kommen? War er deshalb so ungehalten zu der Frau, die für ihre Tochter um Heilung bat? Müssen auch wir uns manchmal einfach zurückziehen, damit wir uns nicht selbst entfremden?
Das Fremde empfinden wir manchmal direkt um uns, manchmal sind wir es, der den anderen um uns fremd ist, manchmal ist das Gefühl der Fremdheit auch nur den offenen Fragen geschuldet, die noch gestellt werden sollen. Hier waren wir Rabbi Rothschild und Neda sehr dankbar für ihre Offenheit und Geduld. Aber jede/r Einzelne, egal ob aus Deutschland, Polen, Estland, Österreich, Libanon, Bosnien und Herzegowina oder Russland, hat dazu beigetragen, dass unsere Gespräche fruchtbar waren, und geprägt von gegenseitigem Vertrauen. Zumindest an diesen 4 Tagen fühlten wir ein Stück Heimat, das nichts mit einem konkreten Ort zu tun hat.

Yesterday was the end of our Bible dialogue on Exile and the kingdom of god. As usually in our conferences, it was the personal encounter with people from different countries and intense talks with one another that made the time so special. Last not least the women from Bosnia who shared their personal experience with exile during the war made it hard to feel sorry for ourselves for those moments when we feel estranged deep within. It helped to learn from the non-violent communication that we all share the same needs, with sometimes different priorities and certainly different strategies to fulfill them. Peace for one, but besides food, clothes and shelter, also celebration and laughter. Realizing this helps to be more understanding of others and of our own motives.
The bible talks were also a challenge and food for thought. Did Jesus cross the border to escape people’s expectation in him as a miracle worker? To find himself again? Was that why we was so rude to the woman who only begged for her daughter to get well again? Is this what we sometimes need to do to not be alienated from ourselves? Sometimes we feel foreign in our own familiar environment. Sometimes the strangeness is only due to unasked questions. We are thankful that Rabbi Rothschild and Neda were patient and kind in answering our questions on Islam and Judaism. But every one of the participants from Germany, Poland, Austria, Bosnia, Estonia and Russia (and years ago from Nigeria and Lebanon) contributed to open and trusting conversations, so that for these four days we could say we found a sense of home that had nothing to do with a place or town.

24. Oktober 2016

Figuren der Kindheit für die Welt von Morgen - Childhood characters for tomorrow's world

(Please, scroll down for English text) Gestern ging der Bibeldialog der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa zu Ende. Das war ja in den 90er Jahren der Einstieg in die gesamt-europäische Begegnungsarbeit.  Auch diesmal waren wieder TeilnehmerInnen aus verschiedenen Ländern dabei:  Deutschland, Polen, Lettland, Tschechien und Siebenbürgen (Rumänien). Es ging um Kinderbücher und Kinderbibeln. Der Austausch über unsere eigenen Erinnerungen an unsere liebsten Kinderbuchhelden waren vermutlich das Spannendste. Das macht wohl ein gutes Kinderbuch aus, wenn wir als Erwachsene, zum Teil Jahrzehnte später noch gerne an unsere Kindheitsbegleiter denken und sie gerne unseren Kindern oder Enkeln als Begleiter mitgeben wollen. Pippi Langstrumpf und Alice im Wunderland werden  wohl noch viele Generationen begleiten. Auch Spidermann ist schon eine Weile dabei. Wird das auch Harry Potter schaffen? Klar war, Dank Olivia vom internationalen Kinderbuchladen Amadito&Friends in Prag, wie vielfältig und umfangreich Kinderliteratur heute ist. Wie auch ganz aktuell die Buchmesse in Leipzig wieder bestätigt: Kinder lieben Bücher und sie lieben Poesie, das Spiel mit der Sprache und den Lauten und die ganz unterschiedlichen und oft ganz zauberhaften Illustrationen, die vor allem für die Kleinen besonders wichtig sind. Und die (polnische) „Lokomotive“ werden wir wohl nie vergessen. Jürgen Rennerts Kindergedichte aus der Zeit der DDR können Kinder bis heute bezaubern.  Beeindruckend waren auch die handgeschriebenen und von Familie zu Familie heimlich vervielfältigten und weitergereichten Bibelgeschichten für Kinder aus der Sowjetzeit in Lettland, als Kinderbibeln dort verboten waren. Auch im Westen sind kindgerechte Bibeln noch nicht lange überall präsent. Im Berliner Bibelkabinett stellte uns Mareike ein wahres Buffet der aktuellen Vielfalt an Kinderbibeln vr.  Was sind Kriterien für eine gute Kinderbibel? Was darf weggelassen werden, wie einfach kann eine Bibelgeschichte erzählt werden, ohne ihre wesentliche Aussage zu verlieren? Comic- oder Lego-Bibeln (wie auch der Klassiker wie Schnorr von Carolsfelds Bibel in Bildern) stellen Gott oft als alten Mann mit weißem Bart dar, das geht eigentlich gar nicht. Und wie niedlich dürfen die Bilder sein? Wie viel Gewalt kann man einem Kind in welchem Alter zumuten? Am Tag nach dem Besuch im Bibelkabinett  kam die Frage, wie man Kinder bzw. Jugendliche mit dem Thema Shoah in Berührung bringen kann, so dass die Erinnerung nicht mit den letzten Zeitzeugen stirbt. Das Projekt „We will call out your name“ versucht es über das Medium Comic und indem es das Leben in den Vordergrund rückt: Was für ein Leben hätten die Ermordeten gehabt? Jugendliche sollen aufgefordert werden, dieses Leben, das so abrupt und viel zu früh endete, weiter erfinden, und so die Toten im Fiktiven „auferstehen“ lassen. Letztlich geht es immer um das Leben.
Yesterday we ended the Bible Dialogue of the Community of Protestant Churches in Europe. Since the 1990s, these are international encounters and this year we were participants from Germany, Poland, Latvia, Czech Republic and Transylvania (today’s Romania). We talked about children’s books and Bibles and how the books we read influenced us and how we think. Those memories of the characters of our own books in Childhood were probably the best part of the encounter. Pippi Longstocking and Alice in Wonderland have been part of children’s lives for a long while. Will Harry potter last that long? Thanks to Olivia from Amadito&Friends , the international children’s bookstore in Prague, we have an idea just how colourful and diverse today’s literature for children is. One thing is clear: children love books and they love poetry, the playing with language and sounds, and of course pictures. (We will never forget the Polish locomotive.) And Jürgen Rennert’s poetry for children can still enchant today.  Also impressive were the hand written Bible stories for children, that Latvian families secretly copied and passed on in Soviet days, because children’s Bibles were illegal. In the West, too, children’s Bibles have not been so well known for long. Mareike at the Bibelkabinett showed us a rich bouquet of children’s Bibles of all ages, from early picture Bibles to today’s Lego Brick-Bibles. But can (and should) one depict God as an old man with a beard? How sweet should the illustrations be? How reduced can a Bible story be before it loses all meaning? How much violence can we expose children to – and at what age? Another question, a day later, was how to tell children about the Shoah, so that the memory will not die with the last witnesses.  The Jewish comic-book-project “We will call out your name” (still in the making) will encourage children to invent the lives that murdered Jewish people would have had and thus will bring them “back to life” in fiction, make sure they will not be forgotten. In the end, it is all always about life.

4. Oktober 2016

DREAMS OF LIFE - LEBENSTRÄUME in Europa

For the English text, please scroll down

Gestern, am Tag der deutschen Einheit, ging unser Europäisches Jugendseminar zu Ende. 28 Teilnehmende aus 5 Ländern zwischen 14 und 25 Jahren, und ja: es hat sich nach Einheit angefühlt, nach europäischer Einheit. Die Stimmung bei der Tagung war einfach toll! Neben einer guten Portion Spaß gab es viele sehr ernste Gespräche über unser Tagungsthema: Lebensträume.
Nicht alles war gelungen. Manches ist einfach dumm gelaufen: zweimal statt zwei bestellter Guides nur einen bekommen und deshalb mit der Riesengruppe durch zu kleine Räume gedrängelt. Außerdem ausgerechnet am Exkursionstag mieses Wetter. Meine Vermutung ist aber, dass es auch daran lag, dass wir vom Team einfach eine andere Generation sind und dass das beim Thema Träume wohl besonders auffällt. Ich jedenfalls habe viel gelernt. Auch für nächstes Jahr.
Die jungen Leute, die meisten waren noch Schüler und unter 18, sind beim Träumen mutiger als wir „Alten“ und das ist gut so. Wir, das Team, haben etwas zu viel Tagungszeit mit dem Umgang mit gescheiterten Träumen verbracht und zu wenig damit, nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir  Träume verwirklichen können. Ich denke, wir wollten die jungen Leute ausstatten mit guten Rezepten, wie man nach einem Fall wieder aufsteht und weiter macht, ohne zu verzweifeln.
Auf jeden Fall waren alle sehr gut drauf und der Abschied fiel wohl allen schwer. 

Yesterday, the Day of the German Reunification, we ended our European Youth Seminar. 28 people between 14 and 25 from 5 different countries. Yes, that was a good kind of European Union. The atmosphere was simply great. Next to a good portion of fun, there were also deep discussions on our topic: Dreams of life.
Not all went perfectly. Some things simply didn’t turn out the way we had planned them (one guide instead of two, lousy weather on the excursion day) but I suspect that we as the team are simply a different generation and that this is especially noticeable in a topic like "dreams". I for one learned a lot – for next year, too.
The young participants, most of them still in school, have more courage to dream than we, the „old ones“ and that is a good thing. We, the team may have planned too much time for how to deal with shattered dreams and not enough with looking for ways  to make our dreams come true. I think we had the good intention of providing the young ones with methods of how to stand up again after a fall.
I any case, the group was a very good one and in the end it was very hard to say good bye.